Enteignung

Ausgrenzung und Verfolgung der deutschen Juden zur Zeit des Nationalsozialismus werden als historische Ereignisse besser zur Kenntnis genommen, wenn sie auf die lokale oder regionale Ebene bezogen werden. Polizeiliche Verfolgungsmaßnahmen oder antisemitisch geprägte Verwaltungsvorgänge lassen sich daher am besten am Fallbeispiel erläutern.

Der Ausschluss der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger aus den sozialen Zusammenhängen und die Verdrängung jüdischer Geschäftsleute aus dem Wirtschaftsleben waren für alle sichtbar. An den antisemitischen Übergriffen und den Versteigerungen des jüdischen Eigentums nahmen nicht nur Parteigenossen, sondern zahlreiche Nachbarn teil. Vor allem die Dokumente der regionalen Finanzbehörden verschaffen einen vertiefenden Einblick in die politischen, juristischen und ökonomischen Vorgänge hinsichtlich der Verfolgung und Enteignung jüdischer Familien zur Zeit des Nationalsozialismus.

Zusammenarbeit der Behörden machte die Ausplünderung erst möglich

Anhand der Beispiele wird die Zusammenarbeit von Behörden, Partei und Justiz bei der Ausplünderung verdeutlicht, sie vermitteln außerdem einen Eindruck über den personellen und materiellen Umfang der Beraubungsmaschinerie. Auf den Unterseiten dieser Internetpräsentation werden zunächst die Verfolgungsmerkmale dargestellt. Der Aufbau orientiert sich inhaltlich an den Schwerpunkten, die in direktem Zusammenhang mit den Emigrationsprozessen stehen:

1. Mit dem Boykott von Geschäften, Praxen und Kanzleien jüdischer Inhaber begann am 01. April 1933 de facto der Ausschluss der jüdischen Bevölkerung aus dem Wirtschaftsleben. Viele erkannten schon früh, dass Deutschland für sie in keine Zukunft mehr bot. Vor allem junge Menschen, die am Anfang ihrer Karriere standen, hatten keine andere Wahl als die Emigration. Daher werden auf den Unterseiten des Themenbereichs "Verfolgung" neben den Geschehnissen des Boykott-Tages am 01. April 1933 auch die Folgen für die Ausbildungsverhältnisse thematisiert und auf die damit verbundene Problematik für die jüdische Jugend Bezug genommen.

Ausschluss aus dem Berufsleben kam einer Enteignung gleich

Im betrieblichen wie im akademischen Spektrum führten antijüdische Gesetze und Verordnungen dazu, dass Auszubildende und Studierende aus ihrem Lehr- und Hochschulumfeld ausgeschlossen wurden. Sofern die Behörden ihnen noch einen Studien- oder Berufsabschluss gestatteten, verlangten sie dafür im Gegenzug die direkt anschließende Emigration. Für Göttingen und Umgebung liegen Beispiele auch für diese Praxis vor.

2. Der Prozess der Verdrängung aus der Gesellschaft setzte etwas später ein als der Geschäftsboykott und beinhaltete die schon angedeuteten Maßnahmen der Finanzbehörden. Die Sonderabgaben, Vermögenssperren und weitere fiskalische Einschränkungen bedeuteten für die jüdischen Betroffenen zumeist nicht nur das berufliche Ende, sondern schlossen sie vom kulturellen Leben aus und erschwerten auch die notwendigen Schritte zur Flucht aus Deutschland.

Fallbeispiele verdeutlichen den Umfang der Maßnahmen

Das Zusammenwirken der Behörden auf gesetzgeberischer und verwaltungstechnischer Ebene veranschaulicht insbesondere die Konsequenzen für die Verfolgten. Das Schicksal der Betroffenen sollte daher vor dem Hintergrund der politischen Maßnahmen, die einerseits die Vertreibung des jüdischen Bevölkerungsteils beabsichtigten, andererseits diesbezüglich „kontraproduktiv" wirkten, betrachtet werden. Diese Perspektive soll im Folgenden anhand von Beispielen verdeutlicht werden.


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