Finanzbehörden

Die Rolle der Finanzbehörden bei der Enteignung der jüdischen Bevölkerung des Deutschen Reiches in der Zeit von 1933 bis 1945 ist vielfach beschrieben worden.1 Weniger thematisiert wurden aber bislang die Auswirkungen der nationalsozialistischen Finanz- und Fiskalpolitik auf die Auswanderungsbemühungen. Dabei waren einige der neuen Gesetze und Verordnungen von fataler Konsequenz für die Verfolgten.

Kontensperren und Vermögensentzug behinderten häufig nicht nur die Auswanderung und führten letztlich zur Deportation der nicht Geflüchteten in die Vernichtungslager, sie hatten auch für die Davongekommenen gravierende Folgen. Auf Grund der im Verlauf der 1930er Jahre zunehmend schlechten Devisenlage des Deutschen Reiches, z.T. bedingt durch die selbst verursachte internationale Isolation, weckten die Vermögenswerte der jüdischen Flüchtlinge Begehrlichkeiten in der NS-Reichsregierung.

Schon früh vorhandene Instrumente zur Verringerung des jüdischen Eigentums, wie steuerliche Sonderregelungen, wurden daher sukzessive ausgeweitet und die spätere Enteignung vorbereitet. Sicherungsanordnungen und Vermögenssperren erschwerten es den Auswanderungswilligen, die notwendigen Schritte zur Flucht rechtzeitig einzuleiten. Sie benötigten für jede Ausgabe die Genehmigung des Oberfinanzpräsidenten (OFP) oder anderer zuständiger Behörden.

Im Verlauf der Verfolgung wurde die Bedeutung des Oberfinanzpräsidiums (OFP) in Hannover als oberste Finanzbehörde Niedersachsens immer größer. War der OFP anfangs nur für die Eintreibung von Sondersteuern zuständig, so wuchs sein Einflussbereich mit der Ausweitung auf die  Erfassung jüdischen Vermögens erheblich. Von der Devisen-Überwachung der jüdischen Auswanderer über die Erteilung von Sicherungsanordnungen für die Vermögenswerte bis hin zur Verwertung des infolge der Deportationen zurückgelassenen Eigentums der Verschleppten reichten schließlich seine Kompetenzen.

Behörden profitierten von der Verfolgungspolitik

Mit der Aufgabenerweiterung stieg die  auch die personelle Ausstattung der Behörde, sie  führte zur Bildung neuer Abteilungen und schuf Karrieremöglichkeiten. Neben die Devisenstelle, die nicht ausschließlich Aufgaben in der Judenverfolgung hatte, traten nun die Straf- und Rechtsabteilung, später in Devisen-Überwachungs-Abteilung umbenannt, und die Genehmigungs-Abteilung. Die Zollfahndung wurde der Kontrolle der Devisenstelle unterstellt.

Die dem OFP-Hannover vorgesetzte Behörde war das Oberfinanzpräsidium Berlin-Brandenburg, das seine Instruktionen wiederum direkt aus dem Reichsfinanzministerium in Berlin erhielt. Später übertrug das für die Verwertung der beschlagnahmten Vermögen zuständige Finanzamt Moabit-West in Berlin seine Kompetenzen vollständig an den OFP in Hannover, der sie nach und nach an die örtlichen Finanzämter weitergab.

Zusammenarbeit diverser Behörden schuf ein engmaschiges Netz der Verfolgung

OFP, Finanzämter und Zollabteilungen standen in ständigem Kontakt mit der Gestapo, sowohl mit den regionalen, als auch den überregionalen Dienststellen. Verantwortlich für die Region war die Gestapostelle Hildesheim. Weiter arbeiteten die Finanzbehörden bei der Erfassung und Beschlagnahme des jüdischen Eigentums eng mit den örtlichen Verwaltungsorganen zusammen, vor allem Bürgermeistern und Landräten. Diese hatten nach dem „Führerprinzip" die obersten Polizeibefugnisse der Städte und Gemeinden inne. Durch die Zusammenarbeit der Behörden, hinzu kam noch die gewerbliche Bankenaufsicht, legten die Machthaber ein engmaschiges Netz der Erfassung und Überwachung über das Land, dem sich kaum ein Verfolgter entziehen konnte.


Fußnoten

  1. Eine Übersicht der wichtigsten Monografien und Regionalstudien zum Thema findet sich in der Literaturaufstellung.

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