Entzug der Staatsbürgerschaft

Der Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft war ein in der NS-Zeit häufig angewandtes Mittel, sich des Eigentums der Geflüchteten zu bemächtigen. Die Ausbürgerungen hatten für die jüdischen Flüchtlinge weitreichende Konsequenzen.

Anfangs traf die Maßnahme fast ausschließlich prominente politische Flüchtlinge. Schon sehr bald erweiterten die Behörden den betroffenen Personenkreis. Nachdem sich die Ausbürgerung, die den Vermögensentzug zur Folge hatte, schnell als "Goldgrube" erwiesen hatte, erfassten die Behörden jeden solventen jüdischen Flüchtling.

Zwei Gesetze zur Ausbürgerung

Im Frühjahr und Sommer 1933 erließ die nationalsozialistische Reichsregierung zwei Gesetze, die in den folgenden Jahren als Grundlage für die Ausbürgerung dienten: das „Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft" vom 14. Juli 1933 und das „Gesetz über die Einziehung des kommunistischen Vermögens" vom 26. Mai 1933.1 Damit war ein breites juristisches Spektrum zum Entzug der Staatsangehörigkeit abgedeckt, die Bestimmungen wurden daher häufig in Kombination angewandt. Bei den jüdischen Verfolgten standen anfangs die sogenannten Ostjuden im Fokus. Mit Hilfe der Gesetze von 1933 nahm man ihnen die nach dem Ersten Weltkrieg gewährte deutsche Staatsbürgerschaft wieder ab.

Ab Mitte der 1930er Jahre setzte man diese Rechtskonstrukte immer häufiger gegen jüdische Geflüchtete ein. Folgende Probleme ergaben sich bei der Anwendung: 1. Das Verfahren zog einen relativ hohen bürokratischen Aufwand nach sich. Mehrere Ministerien und Ämter waren in die Vorgänge involviert. So musste sich das bestimmende Reichsministerium des Innern (RMI) mit dem Reichsaußenministerium und dem Chef der deutschen Polizei – später dem Reichssicherheitshauptamt – absprechen. Dazu kamen viele regionale Behörden, die vor Ort mit den Vorgängen befasst waren. 2. Das Verfahren war an ein justiziables Fehlverhalten der Auszubürgernden gekoppelt. Dieser Punkt ließ sich bei den politischen Verfolgten schnell abrufen, schließlich waren die meisten der Emigrierten in Parteien oder Verbänden aktiv gewesen, die von den NS-Herrschenden kriminalisiert und verboten worden waren. Bei den jüdischen Geflüchteten erwies sich diese Strategie aber als durchaus schwierig.

Auswandernde wurden kriminalisiert

So finden sich bis 1941 zahlreiche Beispiele von aberwitzigen Begründungen, mit denen den Verfolgten ein illegales Verhalten nachgewiesen werden sollte. Manfred E. aus Bovenden bei Göttingen wurde z.B. der Handel mit Markenbutterpapier zum Verhängnis. Nicht weil der Handel untersagt war, sondern weil die Gestapo seinem Kunden eine Straftat vorwarf. Dabei waren die Indizien so vage, dass es zu einem ordentlichen Gerichtsverfahren gar nicht kam. Um dem nach England Geflüchteten die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen, reichten die Vorwürfe aber aus. Mit dem Erlass der „11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz" vom 25. November 1941 verloren die Jüdinnen und Juden "mit der Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts ins Ausland" automatisch ihre deutsche Staatsangehörigkeit. Folge davon war, dass das zurückgelassene Eigentum "zugunsten des Deutschen Reiches" beschlagnahmt wurde. Die Verordnung war vor dem Hintergrund der im November 1941 bereits angelaufenen Massendeportationen herausgebracht worden, sie ebnete den Weg für die umfassende Ausplünderung der Deportierten.


Fußnoten

  1. Zum Entzug der Staatsangehörigkeit vgl. Michael Hepp: Die Ausbürgerung deutscher Staatsangehöriger 1933-45 nach den im Reichanzeiger veröffentlichten Listen, München 1985

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